Im Salon in der Rue des Moulins – Henri de Toulouse-Lautrec

Seit den 1890er-Jahren galt das Interesse von Henri de Toulouse-Lautrec dem Pariser Universum der Zerstreuungen: den Cafès, den Theatern, dem Zirkus, den Pferderennbahnen. Auch Szenen aus den Freudenhäusern wird der Künstler malen. Mit Ausnahme von zwei oder drei anzüglichen Bildern lehnt der aus Albi gebürtige Maler es jedoch ab, Prostituierte in obszönen, vulgären Darstellungen zu zeigen.
Anders als Edgar Degas bricht er mit den Klischees und wählt hier einen naturalistischeren, menschlicheren Blick.

„Im Salon“, entstanden um 1893, zeigt das nahe der Pariser Oper gelegene Bordell in der Rue des Moulins Nummer 6. Der Maler gewährt uns hier einen Einblick in den durch stille Wartezeiten getakteten Alltag dieser eingeschlossenen Frauen. Müßig, gleichmütig, regungslos warten sie auf den Kunden. Auf der rechten Seite erduldet eine von ihnen vermutlich das demütigende Ritual der ärztlichen Untersuchung.

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Der Betrachter wird von der anheimelnden Atmosphäre des Ortes mit seinen bequemen purpurfarbenen Sofas angezogen, er befindet sich auf einer Höhe mit den Figuren, kommt ihnen ganz nah. Auf diese Weise kann er ihre Gesichtszüge erfassen, die Lautrec mit einer für die Porträts von Prostituierten ungewöhnlichen Sorgfalt ausgeführt hat. Und dennoch…

Trotz allem, was sie über einen Charakter offenbaren, bringen diese Gesichter kein Leben in die merkwürdig leere Atmosphäre dieses „Salons“. Das Schweigen dieser Frauen, ihre roten Haare, ihre reglosen, passiven Blicke machen sie gleichförmig, als hätten sie sich dem Verhängnis ihrer Lage ergeben.

Selbst ein regelmäßiger Kunde, war Toulouse-Lautrec ein Vertrauter in den Pariser Bordellen. Im Übrigen ist es nicht unwahrscheinlich, dass er diesen Frauen Zärtlichkeit entgegenbrachte. Dennoch macht der Maler sie hier nicht zu Opfern. Denn, selbst wenn diese Prostituierten keine enthusiastische Erotik ausdrücken, scheinen sie auch nicht von Traurigkeit erfüllt zu sein. In dieser Schattierung kommt die ganze Mehrdeutigkeit von Lautrecs Einstellung über die Bordelle zum Ausdruck, die der Maler offenbar nicht in Frage stellen möchte.

Aus dem Französischen von Isabella Pohl.