Unter den seltenen Porträts von Goethe ist dieses dasjenige, das eine breite Textproduktion nach sich zog. Es wurde vom Bildhauer David d’Angers geschaffen, der für seine Porträts großer zeitgenössischer Persönlichkeiten bekannt ist. Fasziniert von der deutschen Romantik machte er Goethe zu seinem absoluten Idol. Vom Wunsch getragen, das Profil Goethes in einer Skulptur zu verewigen, reist der Künstler nach Weimar, wo Goethe seine Bewunderer zu empfangen pflegt.Er trifft Goethe am 24. August 1829 und überzeugt ihn, für ihn Modell zu stehen. Der Bildhauer ist vom deutschen Dichter beeindruckt, dieser wiederum scheint die Konversation mit dem jungen in seinem Temperament überschäumenden Künstler, der ihn über das künstlerische Leben in Paris unterrichtet, zu schätzen. Alles Weitere wird sich auf weniger « idyllische » Art und Weise zutragen ….
Bevor er Weimar verlässt, schickt David einen Gipsabdruck der Büste nach Paris, um sie in Marmor auszuführen. Es werden Monate vergehen, bis sie ankommt, man glaubt sie schon verloren! Es kommt so weit, dass sogar Goethe unruhig wird. Als er sein Portrait am 13. Juli 1831 empfängt, ist der altehrwürdige Dichter entsetzt: Mit einer Höhe von 84,5 cm erscheint ihm die Büste wie ein Koloss, der besser geeignet wäre, in der Öffentlichkeit als in einem Salon ausgestellt zu werden. In einem Brief dankt der Dichter dem Bildhauer, aber er enthält sich jeglichen weiteren Kommentars, und es scheint, dass er die Darstellung nur wenig schätzt. « Das kleine Format hat mich schon sehr betrübt gestimmt, wie also sollte ich verstehen, welchen Vorteil ein doppelt oder dreimal so großes Format haben sollte », schreibt Goethe seinem Freund Carl Friedrich Zelter.
Darüber hinaus wird seine ästhetische Vorstellung auf den Kopf gestellt. Als Vertreter des 18. Jahrhunderts bleibt Goethe den Idealvorstellungen der neoklassizistischen Porträts verhaftet, die sich als glatter und altersloser erweisen. Bei David hingegen, einem romantischen Bildhauer, scheint jedes Detail den Charakter nachzuzeichnen, die Seele des Subjektes. Ob es nun seine Falten, seine Verbitterung ausdrückenden Lippen oder seine zerzausten Haare sind, alles in diesem Gesicht drückt die Drangsal einer romantischen Seele aus. Bleibt die Stirn: Bei David, ist sie der Ort für den Ausdruck des Genies. Indem der Künstler eine übergroße Stirn formte, will er die hohe Intelligenz seines Modells hervorheben, inspiriert von den Prinzipien der Phrenologie, einer neuen Theorie, die in der Form des Kopfes eine Entsprechung geistiger und charakterlicher Qualitäten des Individuums zu erkennen glaubt.
Sah Goethe dieser Büste ähnlich? Auf welche Art und Weise hat der Bildhauer sein Modell idealisiert? Niemand wird es je in Erfahrung bringen. Anstatt die Büste bei sich aufzubewahren, stellt der Dichter sie in der Herzoglichen Bibliothek von Weimar, 1992 in Herzogin Anna Amalia Bibliothek umbenannt, auf, deren leitender Bibliothekar er 35 Jahre lang ist, auf. Sie befindet sich heute noch dort. Was David von Angers betrifft, sieht er sein großes Idol nicht mehr. Als er 1834 nach Weimar zurückkehrt, ist der große Dichter bereits tot.
Aus dem Französischen von Agnes Haefele